LIVE NIRVANA INTERVIEW ARCHIVE November 11, 1991 - Hamburg, DE
Personnel
- Interviewer(s)
- Ingo Lucker
- Interviewee(s)
- Kurt Cobain
Sources
Publisher | Title | Transcript |
---|---|---|
Horror Infernal #34 | Die völlige Ruhe | Yes (Deutsch) |
Transcript
NIRVANA's Musik zu beschreiben ist nicht gerade einfach. Ihre musikalische Qualitäten anhand ihrer Fähigkeiten am jeweiligen Instrument zu bewerten, halte ich ebenfalls für völlig falsch. Denn der Erfolg, der die drei Jungs Kurt Cobain (guitar/vocals), David Grohl (drums) und Chris Novoselic (bass) inzwischen überrennt, ist nicht dadurch zu erklären, daß exzellente Virtuosen geniale Akkorde, diesmal sogar für's breite Publikum verständlich, in Geld umsetzen. Nein.Vielmehr hat die Band aufgrund ihres Teamworks, in dem jedes Instrument gleich wichtig ist und den völlig mitreißenden Kompositionen, die das aktuelle Album "Nevermind" enthält, überzeugen können.Wer will denn heute noch einem instrumentellen Meister hören, wenn der keine vernünftige Songs schreiben kann..? Feeling ist angesagt, Groove, Ehrlichkeit und Dynamik. Und das NIRVANA gerade diese Faktoren erfolgreich vertritt, bewies die ziemlich volle Hamburger Markthalle am 11 November '91. Mir bewiesen NIRVANA, daß sie die einzige Band der Gegenwart darstellen, die einstellungsmäßig in den Fußstampfen der RAMONES treten könnten: Erfolg haben mit relativ simplen aufgebauten Songs, die aber aus dem Bauch herauskommen und genau dort den Zuschauer treffen, um in dessen Körper eine Explosion hervorzurufen, die ein positives Gefühl hinterläßt. Genug des (natürlich verdienten) Lobpreisens.
Kurt, erzähl uns wie alles begann…
Kurt: Es war das Jahr 1987. Aberdeen, Washington, Holzfäller-Gesellschaft, Einwohnerzahl: ca.3000, Chris und ich, schon lange Zeit befreundet, sagten uns, hey, laß uns doch 'ne Band gründen. Nennen wir sie NIRVANA. Okay, wir nahmen ein Demo auf und gaben es John von Sub-Pop-Records. John fragte, ob wir nicht 'ne Single einspielen wollten, sagten wir ja. 7 Monate später, Anfang '89, kam unser Debut "Bleach" auf den Markt.
Worin unterscheidet sich "Bleach" hauptsächlich von "Nevermind"? Kurt: "Bleach" wurde mit 800$ auf 8 Spuren aufgenommen und war sehr basslastig und irgendwie rockiger. Außerdem war die Musik grungy und langsamer und ich habe viel mehr mit Feedback gearbeitet als auf "Nevermind". Der Unterschied ist am meisten im Equipment begründet, das uns jeweils zur Verfügung stand.
Und eines Tages hat David Geffen vom Major-Label Geffen Records euer Debut-Album gehört?
Kurt: Ja, er war Klamotten kaufen in einem Einkaufszentrum und als er an einem Plattenladen vorbei ging, in dem man unsere Musik gespielt hat, ging er rein und fragte, wer das sei. Gleich danach rief er uns an.
Klingt ziemlich einfach.
Kurt: Nun, er produziert nur das, was ihm gefällt. Er lud uns jedenfalls zu sich ein, bot uns Cocktails an, wir hörten EAGLES-Musik und kamen ins Gespräch. Nebenbei unterzeichneten wir einen Vertrag.
Welche Themen sprichst du in deinen Texten, die auch in der CD nicht abgedruckt sind, an?
Kurt: Trauigkeit, Wut, Freude,…das ganze Spektrum an Emotionen, aber nicht nur meine eigenen. Einflüße bekomme ich von überall her. Aus dem Fernsehen, von Freunden, von Tieren, von überall. Genauso verhält es sich mit der musikalischen Seite. Wir mögen Punk, Pop, Musik, Dance, Heavy Metal. Das einzige, was mir nicht gefällt, ist Jazz.
Du verwendest in deinen Texten nicht allzu viele verschiedene Wörter. Ist das dein persönlicher Stil?
Kurt: Ja, vielleicht. Ich finde weniger ist mehr. Ich mag Songs und Lyrics, die sich in deinen Kopf bohren immer wieder, die dich nicht in Ruhe lassen. Ich habe nicht die Geduld, mich mit Musik zu befaßen, wo man erst nach dem fünften Mal kapiert, wie etwas aufgebaut ist oder was es aussagen soll. Vielleicht könnte mir sogar Jazz gefallen, wenn ich Geduld aufbringen könnte die nötig ist, diesen Stil zu verstehen.
Ist die Team-Arbeit das wichtigste, um einen guten Song zu schreiben?
Kurt: Ah, den Grundgriff oder die Hauptmelodie denke ich mir zu Hause aus. Dann stelle ich sie Dave und Chris vor und wir proben dann so Iange, bis es uns gefällt. Später lege ich dann die Lyrics drüber.
Worauf legst ihr in der Musik mehr Wert:Aggressivität, also Härte oder Melodie?
Kurt: Beides sind gleich wichtige Elemente. Ich versuche immer die Waage zu halten. Dieser fifty/fifty Effekt macht das Ganze interessanter.
Was meinst du, hättet ihr ähnlichen Erfolg gehabt, wenn "Nevermind" vor 5 Jahren herausgekommen wäre?
Kurt: Keine Ahnung, aber wahrscheinlich nicht. Denn so aggressive Musik ist ja in den letzten 2 Jahren erst einigermaßen anerkannt worden. Die Leute akzeptieren harte Gruppen noch nicht sehr lange, wahrscheinlich ist das alles METALLICA's Verdienst, die viele Türen geöffnet haben. Diese Openmind-Einstellung greift jetzt erst um sich und wird langsam in allen Richtungen größer. Was ist das eigentlich für ein Gefühl, wenn 3 Jahre lang niemand etwas von einem Wissen wollte und auf einmal alle an die Tür klopfen um Fragen zustellen, euch kennenzulernen und alles in Erfahrung bringen wollen?
Kurt: Also, ich finde das gar nicht überraschend. Es ist schließlich bekannt, daß man erst im Rampenlicht steht, wenn man Erfolge aufweisen kann, wie z.B. gute Plattenverkäufe oder ausverkaufte Konzerte. Also mir macht das nichts aus, schließlich ist es notwendig, gehört dazu und es geht kein Weg daran vorbei. Außerdem kann ich verstehen, wenn jemand etwas zu den technischen Dingen fragt, was ich allerdings nie beantworten kann, sind solche Fragen wie: Warum ist der und der Song so ausgefallen? Oder Ist der eine schnelle Part in dem Stück entstanden, um das und das auszudrükken? Tut mir leid, ich weiß es nicht, wir haben drauflos gespielt und das ist, was dabei herausgekommen ist. Wir denken nicht darüber nach oder überlegen vorher, wie er aufgebaut sein soll, wir tun's einfach.
Aber das Cover hat doch bestimmt eine Bedeutung?
Kurt: Ich finde, daß ist ziemlich deutlich. Der Mensch als solcher, hat seit Beginn seines Lebens die Vorstellung, immer mehr haben zu wollen, nie genug Geld zu haben. Materielle Dinge sind gesellschaftlich das wichtigste, da wid man hineingeboren, ohne eine Wahl zu haben. Es kann aber auch einfach ein witziges Bild sein,… Baby-fishing.
Ihr habt mal den Song "Do you love me" für einen KISS-Cover-Song Sampler (Hard to Believe) aufgenommen. Wie kam das denn zustande?
Kurt: Ganz einfach: lrgendjemand hatte die Idee, so eine Compilation zusammenzustellen und fragte uns, ob wir Lust dazu hätten. Wir hatten sogar die Wahl, uns einen Song auszusuchen uns so entschieden wir uns für "Do you love me". Aber ich war nie ein sonderlich großer KISS-Fan, im Gegensatz zu allen meinen Freunden. Heute mag ich sie, jedenfalls das frühere Zeug, weil sie auch viel bewegt haben. Damals hörte ich aber lieber LED ZEPPELIN, BLACK SABBATH, BEATLES oder MONKEES.
© Ingo Lucker, 1992