LIVE NIRVANA INTERVIEW ARCHIVE November 10, 1991 - Berlin, DE
Personnel
- Interviewer(s)
- Stefan Langfeld
- Interviewee(s)
- Dave Grohl
Sources
Publisher | Title | Transcript |
---|---|---|
Limited Edition | Nirvana | Yes (Deutsch) |
Transcript
Nirvana sind Pop.
Aber nicht nur.
Ihre Musik besitzt eine DurchsetzungsKRAFT, die zum Hörer hinüberspringt, sich in die Ohren einkrallt und dem Opfer keine Veranlassung gibt, sie auf absehbare, abhörbare Zeit dortheroben wieder herauszuklopfen.
Meiner Assoziation, Kurt Gitarrenpassagen oftmals Horden und Einzelexemplare vorbeirauschender Motorräder zuzuordnen, hält Dave Grohl (dr) entgegen: "Ich glaube nicht, daß du uns ein Etikett aufstempeln solltest und unsere Musik 'Bikerpop' nennen kannst. Ich hab ein Motorrad, aber keinen Führerschein, bin kein Biker… Wenn du sagst, die Gitarre klingt wie ein Motorrad, dann ist du ok… Bikerpop (sinniert)… that's clever… Nein, nenn sie nicht Bikerpop."
Ja, nur nicht faßbar werden, schwer einzuordnen bleiben, das ist eine Maxime der Band, die lieber selbst simpelste Grundformeln unters Volk streut, die eben leider nicht erklären helfen, warum Nirvana auf dem besten aller Pop-Pfade daherballettieren, die der meiste Popmob tauben Ohres einfach nur irgendwo hinten Sumpf vermutet: "Our songs also have the standard pop format: verse, chorus, verse, chorus, solo, bad solo" (Kurt). Nun gut, Nirvana sind also einfach besser, weil sie besser sind. Nevermind. Auch unser Vorstoß, das Frontcover der neuen LP zu interpretieren, mußte trotz aller Hartnäckigkeit kläglich scheitern:
Dave: "Es bedeutet gar nichts. Kurt und ich sahen mal im Fernsehen (wo sonst, Amerika) eine Sendung über Unterwassergeburten, Wir hatten einfach nach keine andere Coveridee und meinten: 'Laß uns das Baby im Wasser dafür verwenden'. und jemand anderer regte an, einen Angelhaken mit ins Bild zu nehmen, ein anderer schlug schließlich vor, die Dollarnote daran zu befestigen."
Nirvana waren schwerer, gingen tiefer, ihre LP "Bleach" hatte den Zorn und Rotz der Neulinge, die vier Tage mit Jack Endino bei Subpop die Debut-LP-Chance wahrnahmen. "Nevermind", ihre Folge-LP, ist auch auf ihre Art erstklassig produziert worden und der Schritt in EINE, '89 angedeutete Richtung.
Dave: "Daß unser Sound sich änderte, war nicht nur eine Folge der verlängerten Produktionszeit (nun dreieinhalb Wochen), sondern auch der Aufnahmetechnik und des Produzenten, Butch Vig. Es sind zwei Jahre vergangen, und niemand erwartete, daß das neue Album so klingt wie 'Bleach'."
LE: "Ich erwartete einen schwererem Sound."
Dave: "Auch das hatte mit den Produktionsbedingungen zu tun. Gehe vom 8-track-studio der Jack-Endino-Produktion ins 24-track-studio von Butch Vig, und der Sound ändert sich eben. Vigs Studio ist eines der besten in Amerika; es war bestens dazu geeignet, unseren eigenen Sound einzufrieren. Es ist ein altes Tonstudio. das sei den 70ern nicht mehr in Gebrauch war."
LE: "Aber warum einmal mehr der Weg zur Industrie?"
Dave: "Nirvana hat Subpop verlassen, weil sie Liefer- und Vertriebsschwierigkeiten haben. Das Seattler Label hat hausgemachten geschäftlichen Ärger und ein mindergutes Management."
Von der ursprünglichen Wortbedeutung "Nirvana" ("Erlöschen": Völlige selige Ruhe als Endzustand des gläubigen Buddhisten (Duden)) blieb selbstverständlich während des Konzerts nichts übrig. Deutlicher konnte der Eindruck nicht mehr vermittelt werden, daß Nirvana Fäustereck- und Mähnenschüttelauswürfe produzieren, die jeden Liebhaber der harten. simplen, aber göttlichen Fünfakkordpop-Fraktion zu ekstatischen Verrenkungen verleiten und im Bade seines Schweißes abgekämpft, aber mit der Welt im Lot zurücklassen: gleichzeitig wird noch einmal klar, daß der seinerzeit als Sargnagel geltende Weg zur Industrie auch Meisterwerke erschaffen kann.
© Stefan Langfeld, 1991